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Nachtwächterführung in Stadt Blankenberg Drucken E-Mail

Vom Kirchturm herab läutet es sechs Uhr, und durch das Katharinentor von Stadt Blankenberg schreitet eine dunkle Gestalt. In der Hand trägt sie eine Laterne. Der Nachtwächter meldet sich zum Dienst. Er geht zur alten Ölmühle vor den Mauern des mittelalterlichen Ortes. Dort haben sich mehr als 20 Besucher versammelt, die den Wächter auf seinem nächtlichen Rundgang begleiten wollen.

"Seid gegrüßt, wanderndes Volk", ruft zur Verwunderung der Gäste keine Männer-, sondern eine Frauenstimme. Denn an diesem Abend ist es des Nachtwächters Frau, auf die sie treffen. Ihr Mann lässt sich vertreten, weil er "zu viel von dem roten Wein getrunken hat und auf einem Strohballen eingeschlafen ist". Deshalb übernimmt Brigitte Helfen an diesem Abend die Führung.

Im schwarzem Umhang, den grauen Hut tief ins Gesicht gezogen, beginnt sie zu erzählen. "Als Städte im Mittelalter nachts nicht mehr von Soldaten bewacht werden mussten, übernahm der Nachtwächter diese Aufgabe." Der Wächter zog im Mittelalter durch die Straßen um zu sehen, ob an jedem Haus Türen und Fensterläden geschlossen und die Herde gelöscht waren.

Zur Verteidigung immer mit dabei hatte er eine Hellebarde, eine Art Lanze, sowie sein Horn, in das er nach einem Rundgang blies, um zu signalisieren, dass alles in Ordnung war. Unruhestifter nahm der Wachmann fest und brachte sie in ein Arrestlokal. Auf den Wachtürmen der mittelalterlichen Städte gab es einen zweiten Nachtwächter, den Türmer, der Ausschau nach Feinden hielt. Außerdem konnte er die ganze Stadt überblicken und Alarm schlagen, wenn irgendwo ein Feuer ausbrach.

Nachtwächterführung"Wenn der Nachtwächter der Polizist war, dann war der Türmer der Feuerwehrmann einer mittelalterlichen Stadt", sagt Helfen. Hörte der Türmer das Horn des Nachtwächters, so blies er ebenfalls in seins. Und die Bewohner der Stadt konnten ruhig weiterschlafen.

Nicht einmal 200 Menschen wohnen in Stadt Blankenberg. Sie galt lange als die kleinste Stadt Deutschlands, bis ihr 1934 die Stadtrechte aberkannt wurden. Der Ort wurde in die Stadt Hennef eingemeindet. Seinen Namen durfte Stadt Blankenberg aufgrund seiner langen Geschichte allerdings behalten.

Die Nachtwächterin führt die Gruppe durch die engen Gassen der Stadt, erbaut um 1245. Das älteste noch bestehende Haus, das Runenhaus in der Renteigasse, ist heute ein Kindergarten. Seinen Namen hat das Haus seinen Giebeln zu verdanken, die wegen ihrer Anordnung früher als germanische Runen gedeutet wurden.

Ein paar Schritte weiter führt Brigitte Helfen die Besucher auf den kleinen Marktplatz. Hier wurde im Mittelalter nicht nur mit Wein, Wolle und Wild gehandelt. Hier trafen sich die Menschen auch, um sich Neuigkeiten und Klatsch erzählen. Denn lesen und schreiben konnten damals nur wenige. Für einen Nachtwächter jedoch waren dies die Voraussetzungen für seinen Beruf. Außerdem durfte er nicht älter als 40 Jahre sein.

Im Zuge der Aufklärung verschwanden bei den Menschen nicht nur die Ängste vor Hexen und anderem Übersinnlichen. Außerdem sorgte elektrisches Licht für erleuchtete Straßen, auch bei Nacht. Und so wurde der Nachtwächter nicht mehr gebraucht. Der Beruf verschwand um die Wende zum 20. Jahrhundert.

Die nächtliche Stadtführung endet nach eineinhalb Stunden unterhalb des Marktplatzes, wo die Nachtwächterin und ihre Gäste zum Abschluss mit heißem Met anstoßen. "Ich war auch schon bei Tag in Stadt Blankenberg, doch das hier ist wirklich etwas Besonderes", sagt Agnes Schröder aus Hennef und nimmt einen Schluck.

Von Julian Schick - Artikel vom 02.02.2009 - General Anzeiger